verstecke Performance

„Interessant, vielschichtig, anregend, provozierend und transzendierend“, antwortete ich souverän, mit deutlichem Augenzwinkern auf die Frage eines Freundes, wie ich die documenta 14 fand. Diese fünf Adjektive wurden im Laufe der Exkursion zum running-gag, und zur ersten „spontanen“ Reaktion vor einem „Kunstwerk“.

Den Begriff des Kunstwerkes habe ich bewusst in Anführungszeichen gesetzt und möchte dies mit der folgenden Anekdote von der documenta 14 erläutern:

Es war der zweite Tag in Kassel und wir hatten unseren ersten Spaziergang hinter uns. Thematisch bewegten wir uns irgendwo zwischen Mauern, Zäunen, Meinungsfreiheit, totalitären Regimen… auch wenn dies in den Objekten oftmals nur sehr abstrakt vermittelt wurde. So zum Beispiel ein großer, auf der Seite liegender, schwarzer Tisch, welcher (ich nehme es einfach vorweg) die Entscheidungen, die nicht vom Volk sondern für das Volk entschieden werden, zeigte. Kostis Velonis hatte mehrere Teilstücke einer Tribüne, wie man sie sich im antiken Griechenland bei Wahlen vorstellen kann, bewusst unter den Tisch platziert, um so die Betrachter*innen zum Denken anzuregen. Nur mithilfe unserer Führerin (ja, jetzt provoziere ich im Sinne der documenta 14), konnte unserer Gruppe die Idee des Künstlers vermittelt werden. Auch ein ordentlich, auf Symmetrie bedachter Raum aus Nato-Stacheldraht stellte sich als Kunstwerk heraus. Nach der Gruppenführung, gingen wir in einer kleineren Gruppe weiter durch das Fridericianum. Auf der dritten oder vierten Etage wurde schließlich Alltag zur Kunst. Ein Lüftungsrohr verlor Wasser, weshalb sich zwei Handwerker dranmachten es zu reparieren. Einer der beiden machte sich auf dem Weg, um Werkzeug oder Ersatzteile zu besorgen, während der andere auf der Leiter wartete. Das Wasser tröpfelte weiter vom Rohr in den darunter stehenden Eimer und der Handwerker beruhigte die sich langsam um ihn bildende Traube aus Menschen mit den Worten: „Das ist gleich behoben. Das wird nicht lange dauern.“ Wir ergriffen unsere Chance und stiegen in einen passiven Dialog ein: „Was will der Künstler uns damit sagen? Der Klimawandel steht bevor? Man soll jede Leiter ergreifen oder das sinkende Schiff verlassen?“ Man merkte, wie unwohl dem Handwerker die Situation wurde, welche zwei ältere Damen sodann verstärkten und sich lauthals amüsiert über diese Situation unterhielten, wodurch sich noch mehr Menschen um den ahnungslosen Mann versammelten. Nach ein paar Minuten verließen wir die Situation und ließen der Kunstwelt ihren Lauf.

Eine Verschiebung von Realitäten, Einblicke in unterschiedlichste Fantasien und die Projektion von Gefühlen auf unterschiedlichste Gegenständen und Objekte, dass ist das womit die Protagonist*innen der d14 spielen. Sie lösen Gefühle jeglicher Art aus, zudem an den unterschiedlichsten Orten.  Das gesamte Stadtgebiet wurde zu einem Kunstwerk. Als Besucher*in stellte man sich häufig die Frage was nun real war oder performt wurde und wie die Performances mit der Realität verschmolzen. Anhand dieser Tatsache konnte auch ein ahnungsloser Handwerker Teil einer Performance und zum Kunstwerk der documenta 14 werden … und wenn die Lüftung nicht repariert wurde, dann steht das Kunstwerk noch heute.

Anm. des Autors: Teile dieser Geschichte haben sich so nicht abgespielt und wurden vom Autor an die Realität angepasst. NB

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